Virginia Bischof Knutti - Spezialistin der Geopolitik und Buchautorin
Liebe Leserinnen und Leser
Herzlich willkommen auf meinem Blog!
Der Begriff der Geopolitik, der bis in den 1980er Jahren wegen zu grosser ideologischer Nähe zum Nationalsozialismus verpönt war, ist heute überall zu finden. Die Geopolitik überschwemmt allmählich die Medien. Sie scheint jetzt überall zu sein und alles wird geopolitisch.
Neben den Rivalitäten der Grossmächte, dem traditionellen Nährboden der Disziplin, werden auch die Covid-Pandemie, die Rohstoffe, die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, den Weltraum, die Polargebiete, globalisierte Sportwettkämpfe, Fernsehserien, Tourismus, Emotionen, aber auch Gewerkschaftskämpfe, Religionen, Unruhen oder auch den Hunger als geopolitische Themen behandelt.
Diese Beispiele zeugen vom Prestige, das die Geopolitik umgibt, aber auch von ihrem nebelhaften, mehrdeutigen, nach Belieben verformbaren und rekonfigurierbaren Charakter. Die Geopolitik war von Anfang an unscharf, und das ist zu einem grossen Teil der Grund für ihren Erfolg.
Diesem Gunstbeweis der Geopolitik gegenüber lässt sich zweierlei erklären:
So unsicher die Grundlagen der Geopolitik sein mögen, so entspricht diese dem Willen nach einem globalen Verständnis von gesellschaftlichen Phänomenen.
Die Gründerväter der Geopolitik haben Fragen gestellt, die noch immer unsere sind, und sie haben Entwicklungen aufgezeigt, die sich nun vor unseren Augen abspielen.
Tatsächlich, beginnend mit der Konsequenzen der aktuellen Covid-Pandemie, gefolgt vom Klimawandel, dem Verschleiss von natürlichen Ressourcen, den Migrationsströmungen oder der Wiederbelebung der nuklearen Aufrüstung, wir erleben derzeit einen räumlichen Umbruch vergleichbar zu dem, welchen die ersten Geopolitiker am Anfang des 20. Jh. zu begreifen versuchten.
Nachdem ich Militärwissenschaften an der ETH-Zürich, Politikwissenschaft und internationale Beziehungen am französischen Institut IRERIE studiert habe, wende ich mich der Geopolitik als angewandte Wissenschaft zu. Geopolitik hilft mir, die Welt zu verstehen. Um zu zeigen, dass die geopolitische Analyse auf verschiedenen geografischen Massstäben anwendbar ist, habe ich einige Schriften verfasst:
Die Geopolitik Russlands - eine Antwort an Zbignew Brzezinski (auf Französisch, nicht veröffentlicht - 2007).
Darum nerven die Schweizer - Eine geopolitische Analyse (BoD - 2011)
Der Kanton Graubünden - Eine geopolitische Analyse (Somedia Buchverlag - 2019)
Seit Mai 2020 veröffentliche ich zweimal die Woche Essays und Analysen zu diversen geopolitischen Themen in diesem Blog. Da ich von meinen Leserinnen und Lesern aufmunternde Rückmeldungen erhalten habe, möchte ich meine geopolitische Analysenfähigkeit im Jahr 2021 fortsetzen und mindestens zweimal die Woche Themen aufgreifen, welche die Welt, die Schweiz und Graubünden bewegen. Ich werde mich in Form von Essays, Kommentaren, Analysen und Buchrezensionen äussern.
Anlass für den Beitrag vom März 2023 ist eine Pressemitteilung des
Tiefbauamts des Kantons Graubündens vom 28. Februar 2023 (1). Sie offenbart, dass die sich seit Jahren in Planung befindliche Dorfsumfahrung von Santa Maria im Val Müstair nun zum Erliegen kommt.
Grund dafür ist ein Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) und der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK). Beide lehnen zwei vom Tiefbauamt
präsentierte Varianten ab, weil sie „zu schweren Beeinträchtigungen des ISOS (Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung) sowie des IVS (Bundesinventar der
historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung) führen würden.“
In Graubünden wurde ein ähnliches Projekt der Gemeinde Schmitten 2019 vom Bundesgericht abgelehnt.
In Surses wartet man gespannt auf die Beurteilung durch den Bund über ein ähnliches Dorfumfahrungsprojekt der bundeseigenen Julierstrasse in Bivio, während das Umfahrungsprojekt von Cunter bereits gestorben ist.
Solche Beschlüsse werfen Fragen auf. Welche Chancen haben heute solche Projekte noch? In den betroffenen Gemeinden, fragt man sich vor allem, welchen Stellenwert die von Lärm und Immissionen geplagte Bevölkerung noch hat, wenn bevölkerungsschützende Projekte systematisch zu Fall gebracht werden.
Ein Grund für diese Lage liegt bestimmt in den zahlreichen Bundesinventaren, welche die Raumplanung der Gemeinden erschweren, insbesondere ausserhalb der Bauzone.
In dieser Analyse geht es mir darum, etwas Klarheit über das heillose Durcheinander an Bundesinventaren zu schaffen und den Stand der Entwicklung aufzuzeigen.
Savognin, 21. März 2023